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Die Immobilie im Nachlass – fünf goldene Regeln

Mit viel Engagement und Fleiß hat die heutige Erblassergeneration Vermögen beispiellosen Ausmaßes erwirtschaftet. So überrascht es wenig, dass jeder zweite Nachlass eine Immobilie zum Inhalt hat und damit einen Vermögenswert, der für Erben emotional wie wirtschaftlich sehr bedeutsam ist. Die anwaltliche Praxis zeigt jedoch, dass Erblasser im Rahmen der Nachlassplanung das Konfliktpotential der Immobilie in ihrer Eigenschaft als unteilbarer Vermögenswert oftmals unterschätzen; erbitterte Streitigkeiten unter den Erben sind allzu oft die Folge.

Dieser Beitrag soll exemplarisch Gefahren benennen und denkbare Ansätze zur Streitvermeidung skizzieren.

# 1 Erbengemeinschaften vermeiden

Gibt es mehrere Erben, so führt die gesetzliche Erbfolge zwangsläufig zu einer Erbengemeinschaft. Diese ist selten ein Quell der Freude, denn Wesen und gleichzeitig Gefahr der Erbengemeinschaft ist, dass keines ihrer Mitglieder allein über den Nachlass verfügen kann. Da selbiger aber über kurz oder lang auseinandergesetzt – also zwischen den Erben verteilt - werden muss, besteht die latente Gefahr der zwangsweisen Teilung; nämlich dann, wenn die Erben keinen Konsens finden. Fällt nun eine Immobilie in den Nachlass, können fehlende oder unbedachte letztwillige Verfügungen fatale Folgen haben.

Ein Beispiel: Ein Familienvater verstirbt und wird - der gesetzlichen Erbfolge entsprechend - von seiner Ehefrau und den beiden leiblichen Kindern beerbt. Der Nachlass umfasst im Wesentlichen das selbstgenutzte Familienwohnheim, in dem die Ehefrau auch nach dem Tod ihres Mannes weiterhin wohnen möchte. Es kommt, wie es kommen muss: Die Kinder möchten das Haus lieber verkaufen und setzten gegen den Willen der Mutter eine Teilungsversteigerung durch. Der Erlös wird zwischen den Erben aufgeteilt, erlaubt der Witwe aber naturgemäß nicht, eine neue, vergleichbare Immobilie zu erwerben.

# 2 Klare Anordnungen treffen

Lässt sich die Konstituierung einer Erbengemeinschaft aus tatsächlichen, persönlichen oder steuerlichen Gründen nicht verhindern, so kommt der Güte der testamentarischen Anordnung eine übergeordnete Bedeutung zu. Immanente Problemstellungen einer Erbengemeinschaft lassen sich durch eine planvolle Konzeption der letztwilligen Verfügung vermeiden.

Ein effektives Gestaltungsmittel ist zum Beispiel die so genannte Teilungsanordnung. Mit diesem Instrument kann der Erblasser nicht nur bestimmen, wer sein Vermögen erhält, sondern auch festlegen, wie das Vermögen unter den Erben aufzuteilen ist. So kann etwa der Eigentümer eines Miethauses letztwillig benennen, welcher seiner Erben welche Wohnung erhalten soll.

Befürchtet der Erblasser dennoch, dass sich die Erbengemeinschaft über die Auseinandersetzung des Nachlasses entzweit, kann er testamentarisch auch ein Verbot der Teilungsversteigerung anordnen. Ein solches Verbot kann zeitlich begrenzt werden. In jedem Fall müssen sich die Mitglieder der Erbengemeinschaft einer derartigen Anordnung unterwerfen und sind so gezwungen, einen interessengerechten Konsens zu erarbeiten.

# 3 An den Pflichtteil denken

Die Testierfreiheit des Erblassers findet eine wesentliche Grenze in dem so genannten Pflichtteilsrecht naher Angehöriger, das diesem Personenkreis eine gesetzliche Teilhabe am Nachlass gewährleistet; ob der Erblasser dies nun möchte oder nicht.

Würde die Witwe - in Abwandlung des vorgenannten Beispiels - testamentarische Alleinerbin und damit alleinige Eigentümerin des Familienheims, müsste sie gleichwohl die Kinder ausbezahlen, sofern diese ihre Pflichtteilsansprüche geltend machten. Können diese Ansprüche dann nicht aus liquiden Mitteln befriedigt werden, führte an der Veräußerung der Immobilie abermals kein Weg vorbei. Es gibt jedoch Mittel und Wege, diese Gefahr schon zu Lebzeiten einzudämmen.

Eine Option ist der so genannte Pflichtteilsverzicht. Einen derartigen Verzicht kann der Erblasser zu Lebzeiten mit den Pflichtteilsberechtigten – meist gegen Zahlung einer Abfindung – vertraglich vereinbaren. In der Konsequenz kann der verzichtende Angehörige im Erbfall nicht auf sein Pflichtteilsrecht bestehen.

Die sogenannte Pflichtteilsstrafklausel ist eine weitere Möglichkeit, den Gefahren des Pflichtteilsrechts testamentarisch zu begegnen. Gemäß einer derartigen Klausel wird bestimmt, dass etwa ein Kind, das nach dem ersten Erbfall gegen den Willen des Erblassers seinen Pflichtteil einfordert, auch im zweiten Erbfall auf den Pflichtteil beschränkt ist. Vermittels einer derartigen Klausel kann dem Erben der Pflichtteilsanspruch als solcher zwar nicht entzogen werden; sie macht seine Geltendmachung für den Erben indes sehr unattraktiv.

# 4 Die Immobilie „richtig“ bewerten

Die seriöse Bewertung einer ererbten Immobile ist aus verschiedenen Gründen elementar.

Hat der Erblasser einem von mehreren Erben eine Immobilie zugewandt, so schuldet dieser den Miterben einen Wertausgleich; und zwar dann, wenn das Nachlassvermögen im Übrigen nicht ausreicht, um die quotalen Ansprüche der weiteren Erben zu befriedigen. Es ist offensichtlich, dass sich die Interessen der Beteiligten in einer solchen Konstellation diametral gegenüberstehen. Hier bietet eine objektive Bewertung der ererbten Immobilie die beste Gewähr, Streitigkeiten unter Miterben zu vermeiden.

Die Immobilienbewertung bildet gleichsam die Grundlage für die Festsetzung der Erbschaftsteuer. Der maßgebliche Verkehrswert wird dabei von der Finanzverwaltung durch ein standardisiertes Verfahren ermittelt und führt allzu oft zu sehr pauschalen Ergebnissen, die den tatsächlichen Verkehrswert eines Objekts nur bedingt widerspiegeln. Um einer etwaig überhöhten Steuerbelastung zu entgehen, ist die Beauftragung eines unabhängigen Sachverständigen ratsam, der einen gutachterlichen Nachweis für einen gegebenenfalls niedrigeren Verkehrswert gegenüber dem Finanzamt führen kann.

Geht es schließlich an die Veräußerung des ererbten Grundbesitzes, ist die Erstellung eines Wertgutachtens durch erfahrene Sachverständige nahezu unverzichtbar. Die hohe Nachfrage-Dynamik auf dem deutschen Immobilienmarkt und die in den letzten Jahren stark gestiegenen Preise zwingen geradezu zu einer korrekten Wertermittlung. Die Kosten für das Immobiliengutachten kann der Begünstigte erbschaftsteuerlich in Ansatz bringen.

# 5 Die Besonderheiten des Steuerrechts beachten

Ungeachtet tiefgreifender gesetzgeberischer Anpassungen im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht ist die selbstgenutzte Immobilie nach wie vor privilegiert. So kann die vom Erblasser bis zu seinem Tod selbst genutzte Immobilie steuerneutral – also ohne Inanspruchnahme von Freibeträgen oder den Anfall von Erbschaftsteuer – vererbt werden. Die Voraussetzung hierfür ist, dass der Ehepartner oder die Kinder des Erblassers, die Immobilie unmittelbar nach dem Erbfall beziehen und diese mindestens zehn Jahre lang selbst bewohnen. Allerdings müssen sich Kinder – im Gegensatz zum Ehepartner – eine Einschränkung gefallen lassen: Die Steuerfreiheit gilt nur, soweit die Wohnfläche 200 Quadratmeter nicht überschreitet. Ist die Immobilie größer, erhebt die Finanzverwaltung für den übersteigenden Anteil Erbschaftsteuer.

Unter mehreren Erben kann nun Streit darüber entstehen, wer die Immobilie übernehmen darf und damit Adressat der vorbezeichneten Steuerbefreiung wird. Denn selbst wenn die übrigen Erben im Gegenzug einen finanziellen Ausgleich erhielten, wäre dieser dann voll zu versteuern.

Ob derartige Steuerbefreiungen einen sinnstiftenden Grund für Diskussionen innerhalb einer Erbengemeinschaft bieten, zeigt ein Blick auf die derzeit geltenden Freibeträge. Diese betragen zugunsten jedes Kindes 400.000 EUR; dem Ehegatten wird sogar ein Freibetrag in Höhe von 500.000 EUR zugestanden; gegebenenfalls noch ein zusätzlicher Versorgungsfreibetrag bis zu 256.000 EUR. Übersteigt der Wert des Nachlasses diese Freibeträge nicht, spielt die kumulative Steuerbefreiung des Familienwohnheims naturgemäß keine Rolle.

# Kurzum

Die illustrierten Problemstellungen einer Nachlassimmobilie bilden einen geradezu idealen Nährboden für ernstliche Streitigkeiten. Streitigkeiten, die nur allzu oft auch in einem scheinbar stabilen Familienverbund zu Zerwürfnissen führen. Wer jedoch sorgsam und umsichtig die Überleitung von Vermögen gestaltet, bietet die beste Gewähr für den Erhalt des Familienvermögens und den gedeihlichen Fortbestand seiner Familie.

Dr. Philipp Jess, Rechtsanwalt

Weitere Fragen beantworten Ihnen gerne Christoph Buttmann aus unserem Hause sowie Rechtsanwalt Dr. Philipp Jess.